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Artikelaktionen

Neue Perspektiven auf zeitgenössische Kunst aus Afrika?

Eine Rezension von

DanjaSchuurmann_Maiwald.jpg

 

 

Maiwald, Stephanie: Jenseits von „Primitive Art“. Zum Selbstverständnis zeitgenössischer Künstler in Nigeria. Berlin: Dietrich Reimer Verlag, 2014.

 

Seit der Unabhängigkeit Nigerias im Jahr 1960 fand im Kontext der Bildung einer nationalen Identität über ethnische Grenzen hinweg eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kunstbegriff und der Frage nach einer genuin nigerianischen Kunst im Land statt. Im hier rezensierten Band „Jenseits von „Primitive Art“. Zum Selbstverständnis zeitgenössischer Künstler in Nigeria“ stellt Stephanie Maiwald die konzeptuelle Begriffsbildung und deren grundlegende Dynamiken seit den 1960er Jahren in Nigeria dar. Anhand von Interviews mit Künstlern wird zudem der Frage nachgegangen, wie die zeitgenössische Kunst Afrikas von lokalen Künstlern wahrgenommen wird. Nicht zuletzt spielen hierbei die Bedingungen, unter denen Künstler im Land arbeiten, eine wesentliche Rolle für ein Verständnis der Kunstszene und -produktion vor Ort.



> Inhaltsverzeichnis           > English Abstract              

 

 

Die im Jahr 2014 erschienene Monographie von Stephanie Maiwald Jenseits von „Primitive Art“. Zum Selbstverständnis zeitgenössischer Künstler in Nigeria widmet sich der Frage nach einem zeitgenössischen Kunstbegriff aus der Perspektive von Künstler(inne)n verschiedener Milieus in Nigeria. Da die moderne afrikanische Kunst zurzeit im Mittelpunkt des Interesses der internationalen Kunstwelt steht – u.a. die Armory Show hat im März 2016 in New York einen entsprechenden Schwerpunkt präsentiert – kommt die Arbeit von Maiwald zu einem glücklichen Zeitpunkt und fügt sich in einen Kontext aktueller Debatten.

 

Allerdings stammt das von der Autorin selbst durch Interviews mit (ausschließlich männlichen) Künstlern in Nigeria gesammelte Datenmaterial mehrheitlich aus dem Jahr 2004 und ermöglicht in erster Linie Erkenntnisse zu der damaligen wirtschaftlichen Situation bzw. den Überlebensstrategien der Produzenten von Kunstwerken in Nigeria. Die in der Diaspora lebenden Künstler/innen nigerianischer Herkunft, die auf den aktuellen Ausstellungen und Kunstmessen besonders stark vertreten sind, werden nicht berücksichtigt. Mit dieser Entscheidung bezieht die Autorin Position in einer Diskussion, die, so machen es die Kapitel der Arbeit detailliert deutlich, in Nigeria von großer Bedeutung ist, und das bereits seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960: inwiefern bezieht sich „afrikanische“ oder „nigerianische“ Kunst auf die Inhalte, die Formen, die Herkunft der Künstler/innen und/oder die Labels westlicher Institutionen und Akteure und Akteurinnen?

 

Indem Maiwald durchaus Werke wie von Susanne Wenger, einer österreichischen Künstlerin, die in Nigeria lebte und arbeitete, mit in ihre Arbeit aufnimmt, die Künstler/innen in der Diaspora jedoch ausnimmt, definiert sie die „nigerianische“ Kunst primär über den Ort der Produktion. Davon ausgehend unternimmt sie eine umfassende Recherche und inhaltliche Zusammenfassung der vorliegenden Sekundärliteratur seit den 1960er Jahren zu Fragen eines nigerianischen Kunstbegriffes. Dieser ist bis heute an den konstruierten Gegenpolen von auf der einen Seite international anschlussfähiger Kunst, bei der die Herkunft des Künstlers keine Rolle spielt, und auf der anderen Seite lokaler, traditioneller und vor allem handwerklich begründeter Kunst ausgerichtet.

 

Generell jedoch erstaunt in der zur Sprache kommenden Auswahl an Künstler(inne)n die relativ traditionelle Ausrichtung an Gemälden und Skulpturen beziehungsweise die völlige Abwesenheit von zum Beispiel Performance-Kunst und digitalen Medien. Die Autorin benennt im Zusammenhang mit der sogenannten Konzeptkunst die Ablehnung einer solchen als „europäisch“ empfundenen Kunst; es bleibt jedoch die Frage offen, ob in der Auswahl der Gesprächspartner bzw. Künstler/innen vor Ort auch ein Grund für eine solche Perspektive liegen kann. Auch wenn die Arbeit keine klassische ethnographische Forschung abbildet, da die Autorin gemäß expliziten Anmerkungen in der Einführung primär Literatur recherchiert und auswertet, wäre es wünschenswert gewesen, die Auswahl der Gesprächspartner und besuchten Institutionen ausführlicher darzustellen. Es muss außerdem erwähnt werden, dass abgesehen von einer Referenz an das Werk von Susanne Wenger keine Künstlerin oder weibliche Intellektuelle zu Wort kommt -- eine Leerstelle, die nicht thematisiert wird.

 

Sehr interessant ist ihre Fragestellung, wohl teils den ethnologischen Methoden und Konzepten der Autorin geschuldet, nach der gegenseitigen Beeinflussung von Kunstbegriffen in Europa und den USA und einem afrikanischen Land wie Nigeria; leider wird diese im Verlauf der Studie nur in Ansätzen verfolgt. Dagegen ist es umfangreich und spannend dargelegt, inwiefern in Nigeria der historische Kontext der nationalen Identitätsbildung entscheidend ist für das Verständnis der Kunstszene im Land. Zudem wird dargestellt, inwiefern Künstler/innen in Nigeria ihren Lebensunterhalt durch persönliche Beziehungen zu lokalen Eliten und Unternehmen bestreiten. Das Buch eignet sich für diejenigen, die einen Überblick über die konzeptuellen Schriften zum Kunstbegriff in Nigeria seit den 1960er Jahren gewinnen möchten, um den historischen Kontext der modernen Kunstproduktion im Land besser zu begreifen. Außerdem werden kunstsoziologische Fragestellungen verfolgt: Hinweise zu einem nationalen Kunstmarkt und den Bedingungen, unter denen Künstler/innen in Nigeria tätig sind, weist Maiwald ebenfalls als entscheidend für das Verständnis der Szene und Produktion vor Ort aus.

 

 

Maiwald, Stephanie: Jenseits von „Primitive Art“. Zum Selbstverständnis zeitgenössischer Künstler in Nigeria. Berlin: Dietrich Reimer Verlag, 2014. 245 S., broschiert, 49 Euro, ISBN: 349602867X.



Inhaltsverzeichnis

 

I. Der Kunstbegriff zur Diskussion gestellt ... 11

1. „Kunst“ in neuen Kontexten ... 11

2. Bedingungen einer Ethnologie der Kunst ... 14

3. Datengrundlagen und Aufbau der Arbeit ... 21

II. Der europäische Kunstbegriff und das Afrikabild ... 24

1. Die Entstehung des europäischen Kunstbegriffes ... 24

2. Objekte und Institutionen ... 31

3. Afrika im Blick des Westens: das Beispiel Benin ... 38

III. Nigeria: Die Nation und die Kunst ... 44

1. Kolonialismus, Nationalismus und neue Eliten in Nigeria ... 46

2. Kulturelles Erbe und Staat ... 51

3. Koloniale Kunsterziehung ... 60

IV. Die Kunsttheorie der Unabhängigkeitsbewegung oder die Suche nach dem afrikanischen Kunstbegriff ... 63

1. Négritude als Diskurs afrikanischer Differenz und ihre Rezeption in Nigeria ... 63

2. Enwonwus Konstruktion eines afrikanischen Kunstbegriffes ... 66

2.1 Der Kunstcharakter afrikanischer Objekte ... 66

2.2 Kulturgebundenheit und transkulturelle Dimension von Kunst ... 68

2.3 „Art“ und „Nka“: Ansätze für eine afrikanische Philosophie der Kunst ... 69

2.4 Die Situation der afrikanischen Gegenwartskunst: pragmatische Folgerungen ... 71

2.5 Die künstlerische Umsetzung ... 74

3. Auf der Suche nach der Einheit in der Vielfalt ... 80

3.1 Gründungsmythos einer nationalen Kunst: die Zaria Art Society ... 80

3.2 Die Idee der Natural Synthesis und das Konzept der Mbari-Clubs ... 83

3.3 Die Anfänge des Ulismus ... 86

3.4 Die Bedeutung von Design ... 88

3.5 Bruce Onobrakpeyas „Unity in Diversity“-Ansatz ... 91

V. Lokalstile und Internationalismus ... 97

1. Die „Renaissance“ der Yoruba Kultur in Oshogbo ... 97

1.1 Der Mbari Mbayo-Club und die Workshops der Beiers ... 97

1.2 Die Erfolgsgeschichte der Oshogbo-Kunst ... 102

1.3 Die Figur des Künstlers und die Wahrnehmung der fremden Kultur ... 104

1.4 Wengers Versuch der Resakralisierung von Kunst ... 109

2. Ulismus und Igbo-Identität ... 113

2.1 Bürgerkrieg und Neuanfang in Nsukka ... 113

2.2 Obiora Udechukwu: Ulismus und Sozialkritik ... 116

2.3 Erfahrungen eines Nordnigerianers ... 118

2.4 Eurozentrismus, Afrozentrismus, Igbozentrismus: Perspektiven aus der Ferne ... 120

3. Zaria nach der „Art Society“ ... 125

3.1 Die Thesen der Eye Society ... 126

3.2 Die Adaptation des Abstrakten Expressionismus ... 129

VI. Das Tafelbild und seine Alternativen ... 138

1. Aina Onabulu und die Übernahme des Tafelbildes ... 138

2. Konzeptkunst in Afrika ... 141

VII. Magier und Forscher, Kuratoren und Politik: Afrikanische Gegenwartskunst in westlichen Ausstellungen ... 145

1. Tendenzen der westlichen Rezeption afrikanischer Gegenwartskunst bis in die 1980er Jahre ... 145

2. Wunderkammer der Postmoderne: Magiciens de la Terre ... 147

3. Africa Explores ... 149

4. Der subjektive Blick des Kurators: Seven stories about modern art in Africa ... 152

5. Kunst und Politik: die Documenta 11 ... 153

VIII. Populäre Kunst, afrikanische Moderne und der Vorwurf des Neoprimitivismus ... 157

1. Die Faszination des Populären ... 157

2. Kritik an der Ästhetisierung angewandter Kunst ... 161

3. Populäre Kunst als zeitgenössische Kunst ... 164

   Exkurs: Kommerzielle und politische Kunst bei Akinola Lasekan ... 167

4. Populäre Kunst als afrikanische Alternative ... 169

IX. Der Wert von Kunst ... 172

1. Der Künstler und sein Publikum ... 172

2. Als nigerianischer Künstler auf der internationalen Bühne: Erfahrungen ... 177

3. Der Konflikt von Marktabhängigkeit und künstlerischer Freiheit ... 180

4. Warum man Kunst kauft: Beobachtungen ... 183

5. Wie man als Künstler Fuß fasst: ein Fallbeispiel ... 185

6. Kunst und die anderen Dinge ... 188

6.1 Kunst, Gabe, Waren ... 188

6.2 Industrielles, Lokales und Traditionelles ... 192

Nachwort ... 199

Abbildungen ... 201

Literaturverzeichnis ... 217

Namenregister ... 241

 

 

New perspectives on contemporary art from Africa?

 

Since the independence of Nigeria in 1960, there has been intense discussion of the concept of art and of a genuinely Nigerian art within the context of the formation of a national identity superseding ethnic boundaries. In the book hereafter reviewed, titled „Jenseits von „Primitive Art“. Zum Selbstverständnis zeitgenössischer Künstler in Nigeria“, Stephanie Maiwald endeavours a description of the theoretical conceptualization of art and its fundamental dynamics in Nigeria since the 1960s. Based on interviews with local artists, she furthermore examines how contemporary African art is conceived by local Nigerian artists. It is not least the conditions under which artists work in the country that play a crucial role for a real comprehension of the local art scene and production.

 


© bei der Autorin und bei KULT_online